In elf Tagen schließe ich mein viertes Jahr Vollzeit-Selbstständigkeit ab. Was kann ich über 2024 berichten? Auf dem Papier sieht es nicht so aus, als ob ich mit meinem Business heuer große Sprünge gemacht hätte. Aber in meinem Kopf hat sich gewaltig etwas getan.
Ich hatte eine Reihe Aha-Momente (ein paar habe ich hier bereits erläutert) und habe einige Entscheidungen getroffen, die Auswirkungen auf mein Businessjahr Nummer 5 haben sollten. Die drei wichtigsten möchte ich dir in diesem Rückblick auf das vergangene Jahr schildern.
Entscheidung Nr. 1: Ich mag kein Social Media mehr machen.
Irgendwann Mitte des Jahres habe ich LinkedIn geöffnet, wie man das halt so tut als selbstständiger Millennial. Aber ich war noch keine fünf Sekunden auf der Website, da überkam mich schon ein Gefühl starker Abneigung. Um es mal weniger elegant auszudrücken: Die Website war gerade vollständig geladen und hat mich schon angekotzt.
Ein paar Monate zuvor hatte ich bereits beschlossen, Instagram beruflich nicht mehr zu nutzen. Es hatte mir nie viel gebracht (außer einem netten Netzwerk aus anderen Freelancerinnen). Doch LinkedIn hat mir über in den vergangenen Jahren tatsächlich einige Kundinnen und Kunden beschert – und mich weniger Zeit gekostet, weil ich dort nicht so versunken bin, wie in der App mit den vielen bunten Bildchen.
Allerdings muss ich sagen (auch wenn es mich wie eine alte Frau klingen lässt): LinkedIn ist auch nicht mehr das, was es mal war. Zwischenzeitlich hat sich die Plattform so gewandelt, dass ich sie zu bespielen nur noch nervig fand. Aber irgendwoher muss ich ja schließlich meine Kundschaft bekommen. Ohne Social Media geht es doch sicherlich gar nicht?

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich jedoch ohnehin reichlich zu tun, also war das gerade keine akute Sorge. Und außerdem wusste ich ja um Menschen, die das ganze auch ohne soziale Medien hinbekommen. So wie Alexandra Polunin.
Ich kaufte mir ihren Kurs (der eigentlich eher eine große Sammlung von Denkanstößen ist) „100 Days of Marketing ohne Social Media”. Und der hat mich dann restlos radikalisiert und mich zur Entscheidung gebracht, dass ich beruflich erst mal medial asozial unterwegs sein möchte.
Wenn ich zusammenfassen müsste, was mich an Social Media so unendlich genervt hat, könnte ich das in zwei Worte tun: „zu viel“.
Zu viel Schwachsinn. Zu viel Zeitverschwendung. Zu viel Unoriginalität. Zu viel Selbstdarstellung. Zu viel Posts ohne Mehrwert. Zu viel Lagermentalität. Zu viel Meinungen. Zu viel Arbeit. Einfach zu viel.
Social Media hat mich sowohl als aktive Nutzerin als auch als passive Konsumentin zum Schluss nur noch überwältigt. Ich wollte meinem Gehirn diesen Overload nicht mehr antun. Und ich selbst wollte nicht mehr zu diesem Überfluss beitragen.
Ich habe also meinen Social-Media-Breaking-Point erreicht. Das heißt allerdings nicht, dass ich sozialen Medien gar nichts mehr abgewinnen kann. Schließlich hat nichts nur negative Seiten. Deshalb habe ich bisher auch noch keinen meiner Accounts gelöscht (bei Instagram hab ich allerdings auf privat gestellt, bin vielen Konten entfolgt und habe die meisten meiner Follower entfernt).
Entscheidung Nr. 2: Ich lass mir ein bisschen von KI helfen.
Die Enthusiasmus-Lücke, die Social Media hinterlassen hat, hab ich prompt mit Künstlicher Intelligenz gefüllt.
Ok, das ist ne nette Überleitung, aber entspricht nicht der Wahrheit. Ich kann nicht behaupten, dass ich begeistert von KI bin. Allerdings hat sich meine Meinung seit Anfang des Jahres geändert. Damals war ich noch Team „KI produziert allerhöchstens Durchschnittliches“ und lehnte ihre Nutzung kategorisch ab. Heute sehe ich KI als nützliches Tool, das mir als Solo-Selbstständige an manchen Stellen Arbeit abnehmen und Zeit sparen kann. Als unbezahlte Assistentin. Als kleiner Chancenausgleich.
Ich glaube allerdings immer noch, dass Menschen die (derzeitigen?) Fähigkeiten von ChatGPT überschätzen, und dass KI manche Dinge schlicht nicht übernehmen sollte (grob gesagt: alles Künstlerische).
Meine ursprüngliche Ablehnung gegenüber ChatGPT lag an den Ergebnissen, die es mir geliefert hat. Die Aussage, dich mir von allen Seiten entgegen dröhnte, lautete jedoch: Der Output ist nur so gut wie der Input. Sprich: Du musst präzise Prompts schreiben.
Das hat sich als richtig herausgestellt. Nur glaube ich, dass man lernen muss, wie man diese Prompts schreibt – oder man muss einfach sehr lange experimentieren. (Ich habe mich für Ersteres entschieden.)
Im Oktober habe ich schließlich meinen ersten Artikel mithilfe von ChatGPT geschrieben. Ich sage ausdrücklich „mit Hilfe von“ und nicht „von ChatGPT“. Denn man kann ChatGPT zwar den eigenen Schreibstil beibringen, aber das Resultat ist meiner Meinung nach … cringe. Das Tool hat einen Humor zum Fremdschämen.
ChatGPT, wenn es „in einem lockeren Stil“ schreiben soll. (via GIPHY)
Jedenfalls betrachte ich ChatGPT inzwischen als eine unbezahlte Assistentin. Sie hilft mit SERP-Analysen durchzuführen, Meta-Daten zu optimieren, Gliederungen zu erstellen. Sie ist gut darin, neutrale Texte zu verfassen, Inspiration zu liefern und Artikel zusammenzufassen.
Aber ich käme nie auf die Idee, es Liebesbriefe oder Witze schreiben zu lassen.
Entscheidung Nr. 3: Tschüss, „alle“!
Als ich am wenigsten damit rechnete, hatte ich eine Eingebung. Ich hatte gar nicht vor, meine Zielgruppe zu schärfen (obwohl ich wusste, dass das nicht schlecht wäre). Doch ich saß im Frühsommer am Schreibtisch und plötzlich blinkte ein Neon-Leuchtschild mit der Aufschrift „FÜHRUNGSKRÄFTE“ vor meinem inneren Auge.
Bei meinem Angebot für Privatpersonen war es mir immer schwergefallen, eine schlüssige Zielgruppe zu finden. Ich wusste zwar, dass es leichter ist, etwas an eine klar definierte Zielgruppe zu verkaufen als an „alle“. Aber mir kam einfach keine Idee, wie ich mein Publikum eingrenzen sollte. Ok, vielleicht hatte ich Ideen, aber nichts fühlte sich richtig oder schlüssig an.
Bis zu jenem Tag. Plötzlich ploppte diese Untergruppe von berufstätigen Menschen mit Bürojob (die ich zuvor als meine Zielgruppe angesehen hatte) auf – und umso mehr ich darüber nachdachte, desto mehr Sinn ergab sie für mich.
Ich lies mir dann meine Gedanken von Außenstehenden validieren. Dachte noch mal darüber nach – und entschloss schließlich, mich umzupositionieren. Zukünftig würde ich meine Produkte und Dienstleistungen also an Führungskräfte in der Dienstleistungsbranche vermarkten.
Die Konsequenz daraus war, dass ich den Verkauf meines E-Books und meines gedruckten Schreibratgebers einstellte und mich ganz der Umpositionierung widmete.
Na ja, „ganz“ ist geschönt. Erst jetzt, zum Jahresende, bin ich mit diesem Projekt so weit, wie ich es mir schon für das Ende des dritten Quartals vorgenommen hatte. Bei der Umsetzung bewegte ich mich immerzu zwischen überlegtem Vorgehen und waschechter Prokrastination.
Doch jetzt habe ich zumindest schon mal die Basis gelegt und bin ganz heiß darauf, nächstes Jahr damit durchzustarten und hoffentlich dazu beizutragen, die Kommunikation in vielen Führungsbüros dieses Landes zu verbessern.
Servus, 2024!
Mit dieser optimistischen Stimmung verabschiede ich mich in den Winterurlaub. Falls du mich dieses Jahr regelmäßig gelesen hast, bedanke ich mich für dein Interesse und deine Treue. Falls du neu hier gelandet bist, würde ich mich freuen, wenn du auch 2025 wieder vorbeischaust.
Das Einzige, was ich dir noch mitgeben möchte, ist: Bitte verzichte an Silvester aufs Böllern! Falls du nicht weißt, was du mit deinem Geld anfangen sollst, kannst du mir gern einen 50-€-Schein schicken und ich zünde ihn für dich an. Das hat denselben Mehrwert, aber kein Tier muss panische Angst vor diesem dämlichen Geknalle haben. #böllerciao