Der Duden hat seine Hotline eingestellt. „Der Duden hatte eine Hotline?“, höre ich dich fragen. Ja, hatte er. Jahrzehntelang konnte man die telefonische Sprachberatung von montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr erreichen.
Ich sag mal so: Wer da angerufen hat, hätte sich auch gleich mit der Seelsorge verbinden lassen können.
Denn wenn du bereit bist, 1,40 € die Minute auszugeben, damit du ja keinen Rechtschreibfehler machst, hast du die falschen Textprioritäten.
Aber da der Service zum 1. Dezember 2024 eingestellt wurde, hat sich das ja erledigt. Na ja, außer dass meiner Meinung nach immer noch zu viele Menschen Rechtschreibung eine übertriebene Bedeutung beimessen – statt sich auf wichtigere Aspekte ihres Textes zu konzentrieren.
Aber das erkläre ich dir in diesem Artikel genauer.
Warum korrekte Rechtschreibung wichtig ist
Bevor wir ins Thema einsteigen, eine kurz eine Definition, damit wir auch alle vom Gleichen sprechen:
Was ist Rechtschreibung? Unter Rechtschreibung versteht man festgelegte Regeln zur korrekten Schreibung von Wörtern in einer Sprache, einschließlich der Verwendung von Groß- und Kleinschreibung, Zeichensetzung und Worttrennung. In Deutschland werden die Regeln nicht etwa vom Duden, sondern vom Rat für deutsche Rechtschreibung festgelegt.
Es gibt viele Gründe, warum Rechtschreibung wichtig ist. Wir brauchen diesen gemeinsamen Standard, um das Schreiben und Lesen zu vereinfachen. Rechtschreibregeln helfen uns, Wörter schneller zu erfassen und niederzuschreiben. Wenn es eine richtige Schreibweise gibt, wissen wir sofort, welches Wort gemeint ist. Wir müssen nicht grübeln, wie wir etwas buchstabieren. Das spart uns bei einem Text Zeit und über unsere Lebenszeit Stunden um Stunden (die wir dann mit endlosem Doomscrolling auf Social Media verplempern können).
Rechtschreibregeln
- vereinheitlichen die Schriftsprache
- sorgen für Lesbarkeit und Verständlichkeit
- bieten sprachliche Orientierung
- fördern Bildung
Wenn wir nicht eine korrekte, gemeinsame Schreibweise hätten, wie sollten dann unsere Kinder – nicht zu sprechen von Ausländerinnen und Ausländern – jemals „richtig“ Deutsch lernen?
Außerdem: Wenn wir keinen allgemeingültigen, zweifelsfrei korrekten Standard haben, woran wollen wir dann die Rechtschreibfähigkeiten anderer messen? Wir könnten uns gar nicht über dumme Nazi-Kommentare über „Auslender, die wo nicht mal gescheit deutsch sprächen“ lustig machen. Ein großer Verlust wäre das!

Warum korrekte Rechtschreibung nicht so wichtig ist
Wir wssein aldlnriegs acuh, dsas usner Ghiren nciht auf Rhteschrebiung anwgeiessn ist. Es ist bewiesen, dass wir Wörter auch dann lesen können, wenn die Buchstaben vertauscht sind – solange der erste und letzte Buchstabe an der richtigen Stelle bleiben.
Das zeigt doch ziemlich deutlich, dass wir nicht auf korrekte Rechtschreibung angewiesen sind, um einen Text zu verstehen. Das riesige Trara um das Thema ist also offensichtlich nicht gerechtfertigt.
Außerdem gibt es eine ellenlange Liste von Regeln, die absolut keinen Unterschied machen. Dazu gehören in vielen Fällen die Regeln zu Groß- und Klein- sowie Zusammen- und Getrenntschreibung. Oder verstehst du etwa nicht, was gemeint ist, wenn jemand zurecht statt zu recht oder es tut mir leid statt es tut mir Leid schreibt?
Das Gleiche gilt zum Beispiel für die Regel, dass es nach einem Doppelpunkt nur dann mit einem Großbuchstaben weitergeht, wenn ein vollständiger Satz folgt. Weltbewegendes Zeug! Gut, dass man das geklärt hat. Wenn es diese Regel nicht gäbe, dann … würde es wahrscheinlich niemandem auffallen.
Die deutsche Rechtschreibung näher betrachtet
Jetzt haben wir uns schon fünfhundert Wörter lang (oder wird es fünf Hundert geschrieben?) mit der deutschen Rechtschreibung befasst, ohne sie uns näher anzusehen.
Der Grund, warum dieses Thema überhaupt der Rede wert ist, ist, dass viele Menschen Schwierigkeiten mit der deutschen Rechtschreibung haben. Sie finden die Regeln zu kompliziert und/oder unlogisch.
Aber ist diese Kritik gerechtfertigt? Also ich persönlich bin froh, dass ich Deutsch nicht lernen musste. Denn verglichen mit den Sprachen, die ich mehr oder weniger beherrsche – Englisch (mehr) und Französisch (weniger) – erscheint mir Deutsch doch eher komplex.
Das Buchstabieren ist zwar einfach, weil eigentlich alles so geschrieben wird, wie es auch ausgesprochen wird. Aber die restliche Rechtschreibung – Groß- und Kleinschreibung, Zusammen- und Getrenntschreibung, Kommaregeln etc. – sind schon anspruchsvoll.
Komplizierte Rechtschreibregeln
- Wenn Verben zu Nomen werden
- Komposita
- Kommasetzung
- Getrennt- und Zusammenschreibung
- Viele Ausnahmen
- Bindestrich vs. Gedankenstrich
Und wenn du mir immer noch nicht glaubst, dass deutsche Rechtschreibung kompliziert ist, frag dich mal das: Warum wurde sie 1996 reformiert? (Die Geschichte der deutschen Rechtschreibung findest du hier.)
Meine Einstellung zu Rechtschreibung
Falls du jetzt glaubst, mir sei Rechtschreibung völlig wurscht, weit gefehlt: Ich korrigiere selbst auf meinem Einkaufszettel Flüchtigkeitsfehler. Ich kann es nicht ertragen, wenn in meinen Google Notizen Buchstabendreher sind. Und ich würde niemals WhatsApp-Nachrichten ohne Großbuchstaben und Interpunktion schicken.
Trotzdem halte ich Rechtschreibung für überbewertet. Warum, habe ich weiter oben schon erklärt. Korrekte Rechtschreibung ist ein Aspekt guter Texte, aber bei Weitem nicht der einzige oder der wichtigste. Meiner Meinung nach sind Verständlichkeit, Wortwahl und Ausdruck deutlich relevanter.
Ich finde es super, wenn Leute perfekt schreiben wollen. Das ist mir tausendmal lieber als Leute, die scheinbar keine Umschalttaste haben und Kommas grundsätzlich ablehnen.
Ich finde es auch super, eine jederzeit makellos reine Wohnung zu haben, aber der Tag hat nicht genug Stunden und mein Körper nicht genug Energie dafür zu sorgen. Deshalb putze ich nicht jede Woche Fenster, noch nicht mal jedes Vierteljahr (Tut mir leid, dass du das so erfahren musst, Mama!).
Was ich sagen will: Wenn du keine professionelle Texterin bist, von der man erwarten kann, dass sie Rechtschreibung tippi-toppi drauf hat, konzentriere dich lieber auf das, was deinen Text wirklich besser macht – Inhalt, Verständlichkeit und ein guter Stil. Und überlasse die Rechtschreibung Tools wie Duden Mentor oder ChatGPT.
Meine Empfehlungen
Korrekte Rechtschreibung macht es Leserinnen einfacher, deinen Text zu verstehen. Deshalb solltest du die Grundregeln auf jeden Fall draufhaben (alles Wichtige zu Groß- und Kleinschreibung, Kommasetzung usw. erkäre ich dir in meinem E-Book „Der perfekte* Text“).
Viel wichtiger ist es meiner Meinung nach aber, dass dein Text als Ganzes gut ist. Was hilft dir ein Text, in dem jedes Wort korrekt geschrieben ist, der aber inhaltlich nicht verständlich ist?