Nominalstil in Texten ist wie Zucchini auf der Pizza: Bitte nur wenn es unbedingt sein muss! Ein Satz mit vielen Hauptwörtern ist einfach nicht schön zu lesen. Wenn du nach Schreibtipps suchst, wird dir deshalb allerorts „Vermeide Nominalstil“ entgegenschlagen (zum Beispiel in meinen Tipps für bessere Formulierungen.)
„Ok, ok“, magst du denken. Nominalstil = no bueno. Verstanden. Aber was ist das überhaupt und wie vermeide ich ihn denn?
Was ist Nominalstil?
Nominalstil leitet sich also von Nomen ab. Und das ist auch schon die ganze Erklärung. In einem Satz, der im Nominalstil verfasst ist, gibt es mehr Nomen als Verben.
Was ist daran verkehrt? Nomen sind doch auch nicht besser oder schlechter als andere Wortarten, oder? Prinzipiell nicht. Wenn du ein Nomen brauchst, solltest du ein Nomen verwenden. Es durch eine andere Wortart ersetzen wäre Quatsch. Wie willst du Haus oder Zuversicht als Verb oder Eigenschaftswort ausdrücken?
Das Ding ist nur, dass viele Leute Nomen verwenden, wenn ein Verb viel besser wäre. Sie verfallen beim Schreiben regelrecht in einen Nomenwahn. Sie denken, sie können nicht so schreiben, wie sie sprechen. „Wir sollten das mal besprechen“? Auf keinen Fall! Das klingt doch zu leger. Nein,„wir sollten dazu eine Besprechung abhalten“ ist viel professioneller. So der Gedankengang.
Weil der Nominalstil viel von Behörden und in Rechtsdeutsch verwendet wird, hängt ihm ein ungerechtfertigter Ruf von Professionalität nach.
Beispiele für Nominalstil
Bei kurzen Sätzen hält sich der negative Effekt von Nominalstil noch in Grenzen. Aber lies dir mal diese Beispiele für Nominalstil durch und dir wird bestimmt auffallen, warum er so verpönt ist.
- Die Beendigung der Anordnung der Isolation nach Corona-Infektion durch die Gesundheitsämter zugunsten von Freiwilligkeit wäre falsch und wird nicht kommen.
- Stellungnahme zur Nutzung von Geschlechtsbestimmungen zur Überprüfung der Auslobung von Lebensmitteln
- Entwurf eines Gesetzes zur Erhöhung des Schutzes durch den gesetzlichen Mindestlohn und zu den Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung
- Durch das von der Regierungskoalition auf den Weg gebrachte Heizkostenzuschussgesetz sollen Entlastungen für Wohngeldempfänger und Auszubildende und Studenten im BAföG-Bezug durch einen einmaligen Heizkostenzuschuss erfolgen.
Nachteile von Nominalstil
Das ist schon schwierig zu lesen, oder? Zu viele Nomen in einem Satz überfordern das Hirn. Der „Hä, was?“-Effekt setzt ein: Du musst den Satz noch mal langsam lesen und Schritt für Schritt entziffern, um den gesamten Sinn zu verstehen.
Außerdem wirkt Nominalstil unpersönlich. Ein Satz wie „Um Verständnis wird gebeten“ verrät dir nicht, wer wen um Verständnis bittet. So fühlst du dich weniger angesprochen und bist möglicherweise weniger gewillt, dieses Verständnis aufzubringen.
Vorteile von Verbalstil
So unschön Nominalstil ist, er hat auch seine Berechtigung. Nominalformulierungen sind oft präziser als Verbalstil. Gerade deshalb wird dieser Schreibstil in der Wissenschaft, in Rechts- und Verwaltungstexten eingesetzt: Er lässt nicht viel Interpretationsraum.
Außerdem macht Nominalstil Sätze kürzer. Eine gute Voraussetzung für Überschriften und Hinweisschilder (und für die Älteren: Telegramme).
Was ist Verbalstil?
Nominalstil finden wir also nicht so cool. Was dann? Verbalstil! Das bedeutet Sätze haben mehr Verben als Nomen und ähneln damit wie Menschen sprechen (außer Politiker, die können sogar im Nominalstil sprechen).
Nominalstil
- Um Entschuldigung wird gebeten.
- Es besteht die Möglichkeit einer persönlichen Besprechung.
- Die Verleihung des Preises fand in Berlin statt.
- Das Unternehmen beschäftigt sich mit der Konstruktion, Entwicklung und Fertigung von Metallkomponenten für Automobilhersteller.
Verbalstil
- Wir entschuldigen uns.
- Wie können das auch persönlich besprechen.
- Der Preis wurde in Berlin verliehen.
- Das Unternehmen konstruiert, entwickelt und fertigt Metallkomponenten für Automobilhersteller.
Vor- und Nachteile von Verbalstil
Verbalstil macht Sätze verständlicher und direkter. Weil Verben nicht ohne persönliche Fürwörter (ich, du, er, sie, es, wir, ihr, sie) funktionieren, macht sie das auch persönlicher. Du liest und weißt, wer sich entschuldigt, wer dich um etwas bittet usw.
Dafür ist Verbalstil meist länger, denn oft benötigt man Nebensätze (und dann muss man sich wieder mit Kommasetzung rumschlagen).
Wie du Nominalstil vermeidest
Wie kannst du dich jetzt von Nominalstil auf Verbalstil umtrainieren? Erst mal muss dir natürlich auffallen, wenn du Nominalstil verwendest. Bisher war dir das vermutlich nicht bewusst. Wirf also ein kritisches Auge auf deine Sätze:
- Enthalten sie mehr Nomen als Verben?
- Müssen die Nomen darin wirklich Nomen sein?
- Enthalten sie Wörter, die auf -ung enden?
Falls du ja antworten musst, formuliere um. Schau dir die Nomen an und überlege, wie du sie durch Verben ersetzten kannst. Aus einer Entschuldigung kannst du entschuldigen machen, aus Änderung wird ändern und statt Beendigung schreibst du einfach beenden.
Wie gesagt kann Verbalstil lange Sätze bewirken. Falls du bei der Umformulierung einen Monstersatz geschaffen hast, schau doch, ob du zwei Sätze draus machen kannst. Nominalstil ist nicht schön, aber ellenlange Sätze fördern nicht gerade die Verständlichkeit.