Beschwerdebriefe schreiben muss raus aus der Spießer-Opa-Nörgel-Ecke. Sich zu beschweren ist ja nicht per se etwas Negatives. Wieso würdest du nicht reagieren, wenn dir Unrecht widerfahren ist, wenn jemand versucht hat, dich über den Tisch zu ziehen oder wenn Abmachungen nicht eingehalten wurden? Ich sehe eher das Gegenteil – alles mit sich lassen zu machen, ohne einen Mucks von sich zu geben – als ablehnenswert.
Deshalb bin ich dafür, mehr Beschwerdebriefe zu schreiben. Allerdings keine unhöflichen, polemischen Rundumschläge. Wir sollten eine Beschwerde weniger als Kritikschreiben und mehr als Verbesserungsanstoß betrachten. Dafür müssen wir sie aber auch entsprechend formulieren.
In diesem Artikel erfährst du, wie du Beschwerdebriefe schreibst, die möglichst effektiv sind. Ich gebe dir Tipps für moderne und verständliche Schreiben und zeige dir einen Beschwerdebrief, den ich verfasst und abgeschickt habe.
Warum schreibt man einen Beschwerdebrief?
Klar, wir wissen alle, was „sich beschweren“ bedeutet – und doch lohnt sich ein Blick ins Wörterbuch, um zu sehen, wie es eigentlich defniert ist. Der Duden sagt: „sich beklagen, bei einer zuständigen Stelle Klage führen“ und listet als Synonyme „Anstoß nehmen, beanstanden, sich beklagen, bemängeln“.
Und das erklärt dann auch ganz gut, warum man einen Beschwerdebrief schreibt. Nämlich, um
- Unzufriedenheit, Ärger, Enttäuschung auszudrücken
- einen Sachverhalt zu dokumentieren (als späteren Nachweis)
- die Ernsthaftigkeit einer Lage zu verdeutlichen
In einem Beschwerdebrief kann es beispielsweise um eine verspätete Lieferung gehen, um ein Problem mit einem Produkt, um ungerechte Behandlung oder schlechte Arbeitsbedingungen. Adressiert wird so ein Schreiben z. B. an ein Unternehmen, die eigene Chefin oder eine öffentliche Stelle.
Was ist das Ziel eines Beschwerdebriefs?
Ein Beschwerdebrief soll auf Missstände hinweisen, eine Lösung anstoßen und idealerweise eine Veränderung herbeiführen.
Wichtig ist: Eine Beschwerde ist keine Reklamation. Auch wenn beide Begriffe oft synonym verwendet werden, gibt es einen klaren Unterschied. Bei einer Reklamation liegt ein objektiver Mangel an einem Produkt oder einer Dienstleistungen vor. Du hast dann einen rechtlich gesicherten Anspruch – etwa auf Reparatur, Ersatz oder Erstattung. Das regelt das BGB.
Eine Beschwerde dagegen basiert nicht auf einem einklagbaren Recht, sondern auf persönlicher Unzufriedenheit. Vielleicht wurdest du unfreundlich behandelt, vielleicht wurde ein Versprechen nicht eingehalten oder ein Produkt hat keine objektiven Mängel, taugt aber einfach nix. In solchen Fällen kannst du auf Kulanz hoffen – aber du hast keinen rechtlichen Anspruch.
Aufbau eines Beschwerdebriefs
Sehen wir uns Beschwerdebriefe ohne Rechtsanspruch nun genauer an. Da es sich um kein rechtliches Dokument handelt, gibt es auch keine starren Vorgaben, was darin enthalten sein muss (wie bei einer Rechnung oder einem Vertrag).
Idealerweise solltest du jedoch Folgendes aufnehmen:
- das Datum des Schreibens
- dein Name und deine Adresse
- falls vorhanden: deine Kunden- oder Bestellnummer
- eine Beschreibung des Sachverhalts
- ein Lösungsvorschlag
- ein Hinweis auf mögliche Konsequenzen
Wenn all diese Elemente in deinem Beschwerdebrief enthalten sind, ist er formal gut aufgestellt. Doch ausschlaggebend ist natürlich der Inhalt: Argumentation und Formulierungen. Darum geht es jetzt.
Tipps für das Schreiben einer Beschwerde
Einen Beschwerdebrief schreibt man nicht aus Langeweile. Du greifst zur Tastatur, weil du verärgert, enttäuscht oder unzufrieden bist – mit gutem Grund. Doch so berechtigt deine Emotionen auch sind: Lass sie nicht ungefiltert ins Schreiben einfließen. Sarkasmus, persönliche Angriffe oder wütende Ausbrüche führen selten zum Erfolg.
Denn: Bei einer Beschwerde besteht kein Rechtsanspruch. Wenn du dein Gegenüber beleidigst, warum sollte es dir dann wohlwollend entgegenkommen?
Deshalb: Schreib nicht im Affekt. Atme durch. Und formuliere dann sachlich und höflich, aber auch klar und bestimmt. Unterstelle keine böse Absicht, sondern gehe davon aus, dass es sich um ein Versehen handelt. Beginne und schließe dein Schreiben möglichst mit etwas Positivem, etwa einem Lob oder einem Dank.
Bevor du den Sachverhalt schilderst, ordne deine Gedanken:
- Seit wann besteht das Problem?
- Wie oft ist es aufgetreten?
- Welche Auswirkungen hatte es für dich?
Beschreibe es präzise und nachvollziehbar. Wenn du Belege hast – etwa Fotos, Rechnungen oder Korrespondenz –, erwähne sie oder füge sie bei.
Überlege dir auch, was du eigentlich erreichen möchtest: Eine Entschädigung? Eine Klärung? Eine Verbesserung in der Zusammenarbeit? Formuliere einen realistischen Lösungsvorschlag.
Und zuletzt: Achte auf korrekte Rechtschreibung und Grammatik. Das trägt immer zu einem guten Eindruck bei.
Beschwerdebrief formulieren: Mustersätze in modern
Wie alles, was seriös wirken soll, werden Beschwerdebriefe häufig sehr steif formuliert. Das ist aber nicht hilfreich, um klar auszudrücken, was nicht gut gelaufen ist.
Ich plädiere ja immer dafür, einfach und direkt zu schreiben und tue das auch bei dieser Textart. Ich zeige, dir mal, was ich mit altmodischen Formulierungen meine und wie du sie vermeiden kannst:
Zu meiner großen Enttäuschung entsprach die gelieferte Ware weder der Beschreibung in Ihrem Online-Shop noch meinen Erwartungen an Qualität und Verarbeitung.
Ich bin enttäuscht, dass die gelieferte Ware weder der Beschreibung in Ihrem Online-Shop noch meinen Erwartungen an Qualität und Verarbeitung entsprach.
Leider musste ich feststellen, dass die gelieferte Dienstleistung nicht dem vereinbarten Leistungsumfang entsprach und wichtige Punkte schlicht ignoriert wurden.
Leider entsprach die gelieferte Dienstleistung nicht dem vereinbarten Leistungsumfang und wichtige Punkte wurden schlicht ignoriert.
Das von Ihnen angekündigte Kundenservice-Erlebnis stellt sich in der Realität als äußerst mangelhaft und wenig lösungsorientiert dar
Ihr Kundenservice ist äußerst mangelhaft und wenig lösungsorientiert.
Des Weiteren stört mich, dass meine schriftlichen Anfragen bisher unbeantwortet blieben, obwohl eine Reaktionszeit von 48 Stunden zugesichert wurde.
Ich störe mich auch daran, dass Sie bisher nicht auf meine schriftliche Anfrage geantwortet habe, obwohl mir eine Reaktionszeit von 48 Stunden zugesichert wurde.
Ich hoffe auf eine zeitnahe Klärung, damit sich die Angelegenheit zu beiderseitiger Zufriedenheit regeln lässt und weitere Schritte vermieden werden können.
Ich hoffe, dass wir diese Angelegenheit bald für beide Seiten zufriedenstellend klären können und keine weiteren Schritte notwendig werden.
Du siehst: Die modernen Formulierungen entsprechen viel mehr deiner mündlichen Ausdrucksweise. Wenn du so formulierst, wird es dir leichter fallen, einen guten Beschwerdebrief zu schreiben. Es steht nämlich nirgendwo geschrieben, dass die nicht klar und verständlich sein dürfen.
Grundsätzlich vermeidest du solch umständliche Formulierungen in deiner Beschwerde, indem du auf Nominalstil statt Verbalstil setzt und einfache Sätze formulierst.
Beschwerdebrief: Ein echtes Beispiel
Im Frühjahr habe ich selbst einen Beschwerdebrief geschrieben. Du kannst ihn weiter unten lesen und sehen, wie ich formuliert habe.
Zum Verständis etwas Kontext: Im September 2024 tat sich in der Straße vor meinem Haus unangekündigt eine Baustelle auf. Wir als Anwohnende wussten weder, was dort gemacht wird, noch wie lange es dauern würde. Einige Wochen später informierte uns ein Schild, dass der Kanal erneuert und das ganze bis Dezember dauern würde. Im März 2025 war die Baustelle jedoch noch immer nicht fertiggestellt.
Also beschloss ich, einen Beschwerdebrief zu schreiben. Mir war klar, dass meine Beschwerde weder die Baustelle beschleunigen, noch dass ich für meinen Umweg entschädigt werden würde. Mein Ziel war lediglich, das zuständige Amt dazu aufzufordern, in Zukunft besser (oder überhaupt) mit den Anwohnenden zu kommunizieren und realistischer zu planen.
Herausgekommen ist dann dieser Beschwerdebrief (den ich übrigens per E-Mail geschickt habe):
Betreff: Beschwerde über Bauarbeiten in der [Straßenname]
Guten Tag,
mein Name ist Julia Wißmeier und ich wohne in der [betroffenen Straße]. Seit September 2024 wird vor unserem Haus – [genauere Angaben über den Ort]- der Kanal erneuert.
Ich finde es gut, dass die Stadt in den Umweltschutz investiert und dieses Projekt umsetzt, dass mir als Anwohnerin zugutekommt. Allerdings habe ich einige Kritikpunkte zur Umsetzung.
Aufgrund der Baustelle wurde der Durchgang zwischen unserem und dem Nachbarshaus gesperrt. Da wir am Ende einer Stichstraße wohnen, ist dieser Weg für uns sehr wichtig, um in Richtung [ein Ort], [ein anderer Ort] und zur U-Bahn-Station [Name der Station] zu gelangen. Der Durchgang wird außerdem von vielen Eltern genutzt, die ihre Kinder zu Fuß oder mit dem Fahrrad in den [Name des Kindergartens] bringen. Ich verstehe, dass dieser Weg gesperrt werden muss, um die Bauarbeiten durchführen zu können. Allerdings hätte man ihn zeitweise öffnen können, während in diesem Bereich nicht gearbeitet wurde. Das hätte vielen Menschen einen Umweg erspart.
Ich bin zudem verärgert über die Kommunikation der Stadt. Auf einem Hinweisschild steht, die Bauzeit sei von September bis Dezember 2024. Inzwischen ist es Mitte März 2025 und die Arbeiten sind noch immer nicht abgeschlossen. Damit ist die Bauzeit nun fast doppelt so lang wie angegeben.
Leider wurden wir weder über die Verzögerung noch über die eigentlichen Bauarbeiten von der [zuständigen Stelle bei der Stadt] oder der ausführenden Baufirma informiert. Wir standen eines Morgens vor einer Baustelle – ohne zu wissen, welchen Zweck sie hat oder wie lange sie dauern wird.
Ich verstehe, dass Bauprojektmanagement eine komplexe Aufgabe und abhängig von Lieferketten, Personalverfügbarkeiten oder auch dem Wetter ist. Mein Unmut richtet sich weder gegen die Baustelle im Allgemeinen, noch die Verzögerung im Speziellen. Vielmehr störe ich mich daran, dass ich als Anwohnerin vor vollendete Tatsachen gestellt werde und zu keinem Zeitpunkt mit mir kommuniziert wurde.
Ich wünsche mir, dass man bei der [zuständigen Stelle] Bürgerinnen und Bürger, die von Bauprojekten betroffen sind, zukünftig besser über diese, ihren Zweck und Verlauf informiert und realistischere Planungen anstellt. Das würde sicherlich mehr Verständnis für längere Bauarbeiten schaffen.
Freundliche Grüße
Julia Wißmeier
Fazit: Beschwerdebriefe schreiben heißt nicht grundlös nörgeln
Wer sich nicht beschwert, verändert auch nichts. Wer sich schlecht beschwert, aber auch nicht.
Deshalb schreibe auf jeden Fall Beschwerdebriefe, wenn du Grund zur Beschwerde hast. Denk aber gut darüber nach, was du schreibst und mach dir Gedanken über deine Formulierungen. Dann erhöhst du die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Angelegenheit für dich positiv auflöst.
Ach, und falls es dich interessiert: In Folge meines Beschwerdebriefs hat sich das zuständige Amt für die Umstände entschuldigt und angekündigt, dass die Bauarbeiten bis Ende April abgechlossen sein würden. Es hat dann trotzdem bis Mitte Mai gedauert.