1 März 2022: die ersten Wörter geschrieben.
8 August 2022: das erste Exemplar in den Händen gehalten.
Ein bisschen länger als fünf Monate habe ich an „Kann man das so schreiben?“, meinem Schreibratgeber für den Beruf, gearbeitet. Hier erzähle ich dir von diesem Prozess.
Die Idee: ein Nachschlagwerk für alle Textfragen
In den, ich sag mal, fünfzehn Jahren, in denen ich mich nun recht intensiv mit dem Schreiben beschäftige, ist mir so einiges hinsichtlich der Grammatiksicherheit, Apostrohfreudigkeit und Formulierungstendenzen meiner Mitmenschen aufgefallen. Und über die Jahre haben mich immer wieder Familienmitglieder, Kolleginnen und Kollegen, Freunde und Bekannte gebeten, ihnen bei ihren Texten zu helfen. „Kann man das so schreiben?“ war meist die Frage, die sie besonders interessiert hat.

Ich habe gemerkt, dass große Unsicherheit besteht, was das Thema Schreiben angeht – bei Rechtschreibung, Stil und immer wieder beim leidigen Thema Kommas.
Als Texterin finde ich, dass das alles gar nicht so schwer ist. Ja, es gibt viele Regeln, aber man muss eigentlich nur ein paar kennen (oder wissen, wo man sie nachschlagen kann). Und meistens verkomplizieren Menschen ihre Texte einfach unnötig.
Ich wollte zeigen, dass jede und jeder gut schreiben kann. Talent ist optional. Ein paar Regeln zu kennen, den ein oder anderen Tipp zu befolgen und entspannt an die Sache ranzugehen, ist viel wichtiger.
Warum gerade ein Schreibratgeber für den Berufsalltag?
Ich hätte auch einen Schreibratgeber verfassen können, der Tipps für die Texte gibt, die Ottonormalverbraucherin im Privatleben schreibt. Allerdings schätze ich die Motivation der Leute, sich nach Feierabend oder am Wochenende mit ihren Schreibfähigkeiten zu befassen, als recht gering ein. Einen Schreibratgeber zu konsultieren, um bei WhatsApp-Nachrichten, Geburtstagskarten und dem ein oder anderen Schreiben ans Amt eine bessere textliche Figur zu machen, rentiert sich irgendwie nicht.
Im Beruf ist die Motivation da schon größer. Wenn man Schreibtischtäter ist, kommuniziert man mehr mit Fremden, da können Rechtschreibfehler schon mal den Eindruck vermiesen. Und in E-Mails an die Chefin will man auch kompetent wirken. Im Allgemeinen achtet man darauf, keine eklatanten Rechtschreibfehler zu machen und sich einigermaßen verständlich auszudrücken. Wirkt halt nicht so professionell, wenn man nicht ordentlich schreibt.
Meine Vision für "Kann man das so schreiben?" ist, dass sich jeder und jede, die sich beim Schreiben von E-Mails, Social-Media-Beiträgen und anderen beruflichen Texten gelegentlich schwertut, das Buch auf den Schreibtisch legen kann, (es dort chic aussieht) es bei Textfragen, -problemen oder -zweifeln aufschlägt und eine Lösung findet.
Der Schreibprozess - von entspannt bis völlig ausgelaugt
Wenn man ein Buch schreibt, dann beginnt die Arbeit eigentlich schon bevor man den ersten Satz geschrieben hat. Ich habe wochen- wenn nicht monatelang Ideen gesammelt, positive und negative Textbeispiele gesammelt, die Augen offengehalten, wo häufige Fehler lauern und was Menschen besonders schwerzufallen scheint. Notizbüchle und digitale Vermerktools wurden mit potenziellen Kapiteln gefüllt und logisch strukturiert.

Zuerst hatte ich überlegt, wieder ein E-Book zu schreiben (weil es einfacher ist). Aber ich finde, ein digitales Nachschlagwerk funktioniert einfach nicht. Sowas muss man in der Hand halten, schnell greifbar haben und durchblättern können.
Im März und April habe ich nebenbei geschrieben, also immer, wenn ich neben meinen Kundenaufträgen Zeit hatte. Zwei, drei Wochen habe ich es tatsächlich durchgezogen, gleich in der Früh eine Stunde am Buch zu arbeiten. Ich wusste aber schon von Buch Nr. 1, dass irgendwann der Zeitpunkt kommt, wo ich dem Werk meine volle Aufmerksamkeit widmen müsste.
Das geschah bei mir dieses Mal im Mai. Den hatte ich mir komplett freigeräumt und hab die ersten zwölf Tage wie wild durchgeschrieben, um das Ding zu Ende zu bekommen.
So ein Schreibsprint ist effektiv – bis zu einem gewissen Punkt. Ab Tag 10 ging eigentlich nix mehr. Ich habe mich nur noch durchgequält, hatte keine guten Ideen mehr und hab den Text möglicherweise nur noch verschlimmbessert. Bis auf die Über- und Zwischenüberschriften war anschließend alles fertig – inklusive mir.
Ich war textlich völlig ausgelaugt und nur noch sehr zittrig auf meinen Grammatikbeinchen unterwegs.
Anschließend habe ich mich gefragt: „Warum mach ich mir eigentlich so einen Streß?“ Schließlich hat mich niemand gezwungen, ein Buch zu schreiben. Ich hab keinen Verlag im Rücken, der mich drängt, keinen festen Erscheinungstermin, den ich groß und breit kommuniziert habe. Ich kann das alles in meinem Tempo, entspannt machen. Gut Ding weil Weile haben und so.
Aaaaber dann ist mir wieder eingefallen, dass entspanntes Mal-so-nebenher-Schreiben-wenn-ich-grad-Zeit-habe nicht funktioniert. Dann würde dieses Buch zu meinem Achtzigsten (für eure Kalender: 29. April 2068) noch nicht fertig sein. Um eine weitere Floskel zu bemühen: ohne Fleiß kein Preis.
Das Lektorat: Es lohnt sich mit Profis zu arbeiten.
Jeden Vertipper, Kommafehler bei über 22 000 Wörtern selbst zu finden, wäre – zumindest für mich – ein Ding der Unmöglichkeit gewesen. Schon bei meinem wesentlich kürzeren E-Book habe ich mir Unterstützung von Katrin Flecken geholt. Sie hat beide Bücher sowohl korrigiert (Rechtschreibung, Zeichensetzung, Grammatik) als auch lektoriert (Stil, Verständlichkeit, inhaltliche Fehler oder Lücken).
Und wow, hatte sie viel zu tun! Betriebsblindheit is real, you guys! Richtig dämliche Vertipper (Backbleiche statt Backbleche), fehlender Kontext (Es ist nicht richtig, dass wir 2,50 € Miete mehr zahlen müssen, weil weir nicht verheiratet sind – müsste man vielleicht erklären), klitzekleine Details (die leckeren Schokokekse sind von LEIBNIZ, nicht von Leibniz), falsche Bezeichnungen – auf 136 Seiten kann man viel falsch machen und dann komplett übersehen.
Eine Frage, die Katrin und mich im Lektoratsprozess sehr beschäftigt hat, war die Formatierung. Denn bei einem Schreibratgeber gibt es freileich viiiiele Beispielsätze. Manche im Text, manche in Klammern, manche als Auflistungen, manche nur bruchteilig. Ich hätte es optisch nicht schön gefunden, jeden in Gänsefüßchen zu setzen.
Nach einem Formatierungswirrwarr hab ich meine eigenen Formatierungsregeln gefunden:
- kursiv: Beispielsätze, direkte Rede, Verweise auf andere Stellen im Buch, Beschriftungen (z. B. bei Buttons), wenn ich die Wörter, um die es geht im Satz erwähne (z. B. vor *sowie* kommt kein Komma)
- fett: Zwischenüberschriften, Anfänge von Aufzählungen (z. B. im Komma-Kapitel)
- unterstrichen: wenn ich in einem Beispielsatz etwas hervorheben will (z. B. den Artikel in einem Relativsatz); ein- oder zweimal, wenn ich im Fließtext etwas hervorheben will (fand dann kursiv verwirrend)
- Anführungszeichen: sind nur noch ganz wenige drin; dann, wenn ich auch im Mündlichen „in Anführungszeichen“ sagen würde (ich kanns grad nicht besser erklären; ich denke, wenn du liest, weißt du, was ich meine)
Das klang für mich nach einem super ausgeklügelten System. Aber die Umsetzung war dann doch noch mal etwas problematischer. So, dass mich Katrin irgendwann angerufen hat und von ihrem Korrektoratskonflikt berichtet hat. Wenn man nämlich auf Gänsefüßchen verzichtet und stattdessen Kursiv verwendet, funktioniert das zwar bei alleinstehenden Beispielsätzen. Wenn aber Beispielsätze oder -satzfregmente in einem anderen Satz eingefügt sind, dann ist das quasi orthografisches Neuland. Gelten dann noch die gleichen Regeln wie bei indirekter Rede (sprich: Doppelpunkt, Komma danach)? Oder macht man es einfach ohne irgendwelche Abrenzungen und setzt nur auf die Macht des Kursivs?
Ich habe mich für Letzteres entschieden.
Ein anderes Kniffelthema: Welche Fachbegriffe verwende ich? Denn im Deutschen macht man sich es ja gerne schwer. Statt ein Wort für eine Sache zu haben, haben wir teilweise drei: Hauptwort, Nomen, Substantiv.
Meine Annahme war, dass Nomen am geläufigsten ist. Katrin war anderer Meinung. Also habe ich eine (äußerst repräsentative) Instagram-Umfrage gemacht. Zu meiner Überraschung hat das Substantiv haushoch gewonnen.
Also habe ich mich durchgehend für die lateinischen Begriffe entschieden: Substantiv, Adjektiv, Verb etc. Später ist mir dann aufgefallen, dass Nomen vielleicht doch klüger gewesen wäre, weil man davon Nominalstil ableiten kann (ein wichtiges Thema in einem Schreibratgeber). Aber eine Entscheidung muss man halt treffen und ihre Nachteile akzeptieren.
In jedem Fall haben Katrin und ich in unseren zwei Lektorats-/Korrektoratsrunden die Grenzen der Änderungsnachverfolgung in Word ausgereizt.

Das Design: Das kleine Schwarze
Da dieses Buch mein erstes gedrucktes sein würde, war mir das Layout noch wichtiger als bei meinem E-Book. Letzteres hat ein extrem cooles Cover, aber der Innenteil war nicht professionell gestaltet.
Auch bei Design habe ich mich wieder an alte Bekannte gewendet, nämlich Kaffee & Köpfe Mediendesign, die neben dem Cover für Buch Nr. 1 auch mein Logo entworfen haben.
Ich habe mich vor dem ersten Briefing mit Jackie von Kaffee & Köpfe mal an einem Moodboard für das Buch versucht. Das Design sollte komplett schwarz-weiß sein und an Notizbücher und Bulletjournals erinnern.

Jeder der vier Teile hat seine eigene Illustration, durchs ganze Buch verteilt sind Schmuckseiten, die wichtige (oder amüsante) Inhalte aufs minimalste zusammenfassen. Der Innenteil lässt andere (Schreib-)Ratgeber ganz schön alt aussehen.
Ich hatte natürlich eine Vorstellung, wie das Buch fertig aussehen sollte. Aber vor meinem inneren Auge war es nie so genial, wie es schließlich geworden ist. Mein Gefühl für Design (oder Vorstellungskraft) ist nämlich recht limitiert. Das von Jackie hingegen scheint grenzenlos zu sein. Es sind so viele geniale Details in ihrer Arbeit, die mir nie eingefallen wären. Manche hab ich erst beim zweiten Mal anschauen entdeckt.
Auch beim Layout gab es verzwickte Entscheidungen. Kleine Dinge wie „wo steht mein Name auf dem Cover?“. Über dem Titel? Unter dem Titel? Über dem Untertitel? Wer hätte gedacht, dass man über sowas stundenlang grübeln kann?
Eine weitere Erkenntnis: Die alte Redewendung „wer schön sein will, muss leiden“ trifft auch auf ein Buchlayout zu. Sowohl Jackies als auch meine Augen hatten unter meiner Entscheidung, die Beispielsätze durchgehend kursiv zu schreiben, zu leiden. Das zu kontrollieren ist nämlich wahnsinnig anstrengend für die Glubscherchen.

Fazit
Nach fünf Monaten Arbeit halte ich das Werk nun in meinen Händen. Mein Fazit: Es war einfach viel zu viel Arbeit!
Das ist zumindest mein jetziges Fazit. Jetzt, wo ich noch viel zu tun habe, um das Buch an den Mann/die Frau/diverse Personen zu bringen. Zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Artikels steht mir der Stress bis Oberkante Unterlippe.
Denn alles alleine zu machen ist eine Menge Arbeit. Aber es macht auch stolz. Andere Leute haben internationale Mega-Verläge im Rücken und millionenschwere Vorschusszahlungen, um ein Buch zu veröffentlichen. Wir haben das zu dritt in ein paar Monaten gemacht!
Danke, Jacke und Katrin, für eure Unterstützung. Und Danke Vergangenheits-Julia für deine Blauäuigkeit.