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Irrglauben über das Schreiben von Texten

Die 5 häufigsten Irrglauben beim Schreiben von Texten

„Unnötig kompliziert“ ist meist das Urteil, das ich über verbesserungswürdige Text fälle. Ich bin der festen Überzeugung, dass jeder gute Texte schreiben kann. Also Texte, die verständlich und klar sind. Die man liest und weiß, was Sache ist. Viele Leute schreiben aber missverständlich und umständlich, weil einige Irrglauben in vielen Köpfen fest verankert sind. (Ich mache die Deutschlehrer*innen der Nation dafür verantwortlich.)

Höchste Zeit, mal mit diesen Missverständnissen aufzuräumen. Bereit? Los geht’s!

Irrglaube Nr. 1: Du musst komplizierter schreiben, als du sprichst.

Wenn Texte schreiben für dich anstrengend ist, dann vielleicht, weil du glaubst, du müsstest ganz anders schreiben, als du sprichst. Dann müsstest du natürlich auch länger über deine Formulierungen nachdenken, elegantere Worte raussuchen, nochmal genau über die Grammatik nachdenken. Jep, das klingt tatsächlich anstrengender, als einfach zu schreiben, wie dir der Schnabel gewachsen ist.

Da würde selbst ich lieber Sprachnachrichten aufnehmen, als in die Tasten zu greifen (Schamlose Lüge. Ich würde lieber ne Stunde an einem Text arbeiten, als eine Minute in mein Handy zu sprechen). Aber glücklicherweise gehts in diesem Artikel ja um Irrglauben, und du musst gar nicht komplizierter schreiben, als du sprichst.

Natürlich sollten deine Texte anders aussehen als deine Monologe, aber nicht radikal anders. Du sparst dir die ähms, bringst die Worte in die richtige Reihenfolge und achtest darauf, dass du Sätze zu Ende bringst. Das war’s. Du kannst weiterhin einfache Sätze bilden, verständliche Worte verwenden und so schreiben, wie dir der Schabel gewachsen ist. Solltest du sogar. Solche Sätze klingen nämlich viel besser.

Ich zeig dir mal anhand eines Beispiels, wie wenig sich Gesprochenes und Geschriebenes unterscheiden musst. Hier ein paar Zitate aus einem YouTube-Interview mit Peter Wittkamp (den ich übrigens auch in meinem Artikel über kreatives Schreiben mehrfach zitiere):

„Als Kind wollte ich äääähm Computerspieleladenbesitzer werden. Das erschien mir eine sehr kluge Idee, dass ich da quasi die ganze Zeit dattel in meinem Laden, ähm, zwei, drei Spiele verkaufe, was natürlich vollkommen zum Lebensunterhalt äh ausreicht und da so meine Tage verbringen. Also ein bisschen „High Fidelity für Zocker“-mäßig. Ähm ja, hat sich nicht ergeben. Zock auch gar nicht mehr so viel.“

Was fällt uns auf?

  • Die ähms und ähs müssen raus.
  • Der erste Satz ist sehr lang.
  • Die beiden letzten Sätze sind nicht vollständig.


Aber dennoch sind das verständliche Sätze, die man mit wenig Aufwand in einen soliden Text umschreiben kann. Und zwar so:

„Als Kind wollte ich Computerspieleladenbesitzer werden. Das erschien mir eine sehr kluge Idee. Ich würde die ganze Zeit in meinem Laden datteln, zwei, drei Spiele verkaufen – was natürlich vollkommen zum Lebensunterhalt ausreicht – und so meine Zeit verbringen. Also ein bisschen wie High Fidelity für Zocker. Das hat sich nicht ergeben. Ich zocke auch gar nicht mehr so viel.“

Irrglaube Nr. 2: Kurze Sätze wirken einfältig.

Ich würde dir generell davon abraten, zu versuchen, mit deinen Texten Eindruck schaffen zu wollen. Das geht meist nach hinten los. Aber ist im Deutschen eine weitverbreitete Unart. Einer meiner Uni-Professoren hat mal gesagt: „Deutsche Akademiker schreiben, um sich gegenseitig zu beeindrucken. Amerikanische schreiben so, dass es Studenten verstehen.“ Nun eifern wir in Deutschland ja ständig Amerikanern nach (warum sonst die ganzen Anglizismen?), warum nicht auch mal, wenn es ums Texte schreiben geht?

Einfache Sätze sind keine Schande. Wenn du einen kurzen Satz bilden kannst, bilde einen kurzen Satz. Das heißt nicht, dass deine Sätze nur noch aus Subjekt, Prädikat und Objekt bestehen dürfen und dass alle Sätze auf ein Minimum reduziert sein müssen. Aber es ist nicht verkehrt, einen Punkt zu machen, wenn er sich anbietet.

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Irrglaube Nr. 3: Hauptwörter lassen dich professioneller wirken.

Kaum sitzen Menschen an einer Tastatur tun sie so, als wären Verben das Unerträglichstes seit Donald Trumps Twitter-Feed.

Wenn sie ihrer frisch aus dem Urlaub zurückgekehrten Kollegin erzählen, was in ihrer Abwesenheit passiert ist, können sie dagegen gar nicht genug von Verben bekommen: der Kunde x hat zugesagt, die Veranstaltung wurde geplant, das Problem mit Kunde y wurde gelöst, Kunde z hat seine Rechnung noch nicht bezahlt, die Kaffeemaschine wurde repariert.

Aber kaum schreiben sie eine E-Mail an die Chefin heißt es: „Die Zusage von Kunde x ist eingegangen, die Planung der Veranstaltung ist im Gange, eine Lösung für das Problem von Kunde y konnte gefunden werden, die Begleichung der Rechnung von Kunde z ist ausstehend, die Reparatur der Kaffeemaschine wurde vollzogen.“

Das sind immer die gleichen Aussagen. Nur eine Version ist unnötig umständlich. Jede*r – auch deine Chefin – ist die dankbar, wenn du Sachen so einfach ausdrückst, wie möglich.

Irrglaube Nr. 4: Es ist eleganter, nicht „ich“ oder „wir“ zu verwenden.

Wenn du im Beruf Texte schreibst, dann willst du dich nicht in den Mittelpunkt stellen. Da sprichst du nicht von „ich“, denn du bist ja nicht dein Unternehmen.

Gleichermaßen vermeiden es viele Firmen und andere Organisationen in bestimmten Situationen von „wir“ zu sprechen. Besonders dann, wenn es unangenehm wird: bei schlechten Nachrichten, bei Lieferverzögerungen, bei Rückrufaktionen etc. (siehe auch: Politiker-Entschuldigungen).

Das Problem ist nur: Was schreibst du, wenn du nicht von dir oder von euch schreibst? Dann bleiben nämlich oft nur Passivformulierungen und Nominalstil. Und die sind unschön zu lesen:

  • Es empfiehlt sich, bereits zehn Minuten vor dem offiziellen Beginn zu erscheinen.
  • Geliefert wird per DHL.
  • Das Angebot richtet sich an alleinerziehende Mütter.


Solche Sätze mögen professionell klingen, aber das ist nur so, weil wir diesen Stil aus dem Amtsdeutsch und Geschäftssprech gewöhnt sind. Bist du als Konsumentin oder Bürgerin mit solchen Aussagen wirklich zufrieden? Oder fändest du es nicht schöner, wenn du sowas liest:

  • Wir empfehlen Ihnen, bereits zehn Minuten vor dem offiziellen Beginn da zu sein.
  • Wir liefern mit DHL.
  • Ich richte mich mit meinem Angebot an alleinerziehende Mütter.


Im direkten Vergleich findest du diese Sätze auch freundlicher, oder? Das ist, weil sie leichter zu lesen sind. Und das bewirkt ein „ich“ oder ein „wir“.

Irrglaube Nr. 5: Adjektive machen einen Text lebendiger.

Eigentlich ist das keine falsche Annahme. Denn natürlich machen Adjektive, Texte lebendiger. Sie beschreiben materielle und immaterielle Objekte genauer: die Inhaltsstoffe sind natürlich, der Verstoß eklatant, der Spätzlehobel hochwertig.

So weit, so gut. Und wenn du Texte schreiben willst, die in den Köpfen deiner Leserinnen Bilder auslösen, sind Adjektive sicherlich richtig.

Wenn es aber um Sachtexte geht – also solche, die hauptsächlich informieren sollen – sind zu viele Adjektive oft nur verwässernd:

  • die angebotenen Leistungen zum vereinbarten Preis
  • die letztliche Auflösung gefiel mir nicht so mega gut
  • das Geschenk war liebevoll verpackt
  • am heutigen Dienstag


Zu viele Adjektive wirken oft auch übertrieben, wie in diesem Produkttext:

Mit ihrem natürlichen, modernen Design fügen sich diese Gartenmöbel in jeden Außenbereich ein. Das Set ist in einem modernen, schlichten Design gehalten. Die Gartenstühle sind aus einem stabilen Gestell mit handgeflochtenem Polyrattan in Grau gefertigt. Die bequemen Kissen aus Polyester sorgen für hohen Komfort. Optisch bestechen sie mit einer schlichten Farbe in Hellgrau.

(Dieser Text hat übrigens mehr Probleme als nur zu viele Adjektive.)

Überlege beim Schreiben deiner Texte also, welche Adjektive Mehrwert haben und welche du streichen kannst, ohne dass es Auswirkung auf die Verständlichkeit hat.

Fazit: Schreibe menschliche Texte

Denke beim Schreiben von Texten weniger über das Schreiben selbst und mehr über deine Leser*innen nach. Mach dir bewusst, dass alle die lesen – Männlein wie Weiblein, jung und alt, Führungskraft oder Azubi – nur Menschen wie du und ich sind. Keiner hat Bock, Sätze dreimal zu lesen, um zu verstehen, was drinsteht.

Foto von Andrew Neel auf Unsplash

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